Bundesweite Fachtagung „Inklusion und Teilhabe im Übergang von der Schule in den Beruf“, 21.-22.11.2016, Hamburg
Das Büro für überflüssige Worte wird zur Kinderklappe. Abgegeben werden gleich mehrere
iKinder. Was sind das für Kinder? Warum sind sie so unbeliebt?
Das iKind ist keine neue Erfindung von Apple. Kein Smartchild mit benutzerfreundlicher Oberfläche. Man kann es nicht mit dem Daumen steuern. Das iKind ist eine Erfindung der deutschen Bildungsbürokratie, in ihrem ungelenken Versuch, die UN-Behindertenkonvention umzusetzen.
Das iKind steht im Innersten der Inklusionsdebatte, auch wenn es in der Öffentlichkeit nicht so genannt wird. Während Bildungstheoretiker gerne haarfein austarierte, alle Befindlichkeiten berücksichtigende, aber oft unaussprechliche Wortkonstrukte schaffen, halten Praktiker schlichte Abkürzungen dagegen, die alle sprachlichen Rücksichten und Masken fallen lassen und am Ende wieder ein schnell klebendes Label erzeugen.
Aus den diskriminierten Sonderschülern werden Inklusions-Schüler. Aus den Inklusions-Schülern werden iKinder. iKinder sind wie alle Kinder. Fast. Sie können nicht immer alles, was alle anderen Kinder können. Sie sind keine Normkinder. Sie sind manchmal zu langsam, zu laut, hören, sehen oder verstehen schlecht. Sie sind körperlich oder geistig beeinträchtigt, manchmal sozial und emotional vernachlässigt. Früher wurden solche Kinder meist ausgesondert auf eine „Sonderschule“. Inklusion versucht, diese Aussonderung rückgängig zu machen und diese Kinder in Regelschulen zu integrieren. Dort sollen die behinderten Kinder von den nicht-behinderten Kindern besser lernen und die nicht-behinderten Kinder durch den regelmässigen Umgang mit behinderten Kindern toleranter werden.
Eine schöne Idee, die aber in der Praxis einige Probleme hervorruft. Kein Wunder, dass das iKind mitunter als Problemkind gesehen wird, nicht nur bei Mitschülern, sondern auch bei gestressten Pädagogen.
Das iKind hat aber noch Geschwister, die ich bis dahin auch nicht kannte. Der Hamburger Bildungssenator Tim Rabe stellt sie vor. Die LSE-Kinder. Klingt nach einer gefährlichen, ansteckenden Krankheit. Tatsächlich verbergen sich dahinter Kinder mit einem diagnostizierten Defizit in den Bereichen Lernen, Soziales und emotionale Entwicklung. Mit anderen Worten, sie sind verhaltensauffällig und/oder lernbehindert. Im Rahmen der Inklusion wird auch diesen Kindern spezieller Förderbedarf zuerkannt. LSE scheint tatsächlich ansteckend zu sein. Die LSE-Kinder vermehren sich auffällig. Sie sind die eigentlichen iKinder.
Insgesamt geben die Kongressteilnehmer auffällig viele i-Wörter als überflüssig ab.
„Inkludent“ ist vermutlich die Eindeutschung des lateinischen „includent“ und eine Ableitung des lateinischen Verbs „includere“, das so viel wie „einschließen, verhaften, einsperren“ bedeutet. Die alten Römer hatten vermutlich eine weniger positive Vorstellung von „Inklusion“. Das verwandte „inkludiert“ kennt man aus der Preisgestaltung. Nun infiltriert das Wort den Bildungsbereich.
Im Englischen steht das vorangestellte „i“ (gesprochen „ei“) ja für „intelligent“. Im Deutschen weckt das lang gezogene, haarnadelspitze „i“ leider ganz andere Assoziationen.
„Alternativlos“ ist neben den i-Wörtern das beliebteste überflüssige Wort des Kongresses. Das Wort ist eng mit Angela Merkel assoziiert, seit sie damit 2009 die staatliche Bankenrettung nach der Finanzkrise von 2008 rechtfertigte. 2010 wurde es von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Unwort des Jahres“ gewählt. Kein neues Wort aber eines mit „nachhaltiger“ Wirkung. Ein stoisches „Weiter so“. Ein Wort, das sogar die Gründung einer neuen Partei angeregt hat. Vielleicht ist es die Alternativlosigkeit, die den iKindern zu schaffen macht. Einmal iKind, immer iKind. Oder iJugendlicher. Oder iErwachsener. Oder iSeniorIn.