Gib Frühstück, Digga

BiKuZ Frankfurt Höchst 23.-31.5.2016 – Teil 1

Schreibtisch, Topfpflanze, Stifte, Stempel sind platziert. Seltsam tropfende Worte mit weichen Konsonanten und vielen Umlauten warten auf ihren Einsatz als Ersatz. Als Hintergrund-Soundscape verkündet die finnische Computerstimme Mikko mit schwerem Akzent die schönsten „deutschen Wörter“.

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Noch bevor das Projekt offiziell eröffnet wird, drängt es schon Besucher, überflüssige Wörter abzugeben. Pressekonferenz und Büroarbeit läuft simultan. Morgen Artikel in FNP/Höchster Kreisblatt.

Der erste Besucher möchte „Herzchen“ aus seinem Wortschatz streichen. Schreckliches Wort meint er. Sein Mentor nennt ihn immer so, wenn er ihn tadelt. Und gleich geht es weiter: „elementar“ muss dran glauben. Das klingt so übertrieben.

Ein Flüchtling auf dem Weg zum Sprachkurs möchte das eben gelernte Wort „Frühstück“ wieder aus seinem Wortschatz streichen. Vielleicht klingt es in seinen Ohren mehr nach Massaker als nach einer Mahlzeit, vielleicht findet er Frühstück an sich überflüssig. Vielleicht hat ihm das Wort zuviel „ü“. Überflüssig ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Nur „Digga“ taucht doppelt auf. Doppelt überflüssig halt.

Überflüssige Worte werden persönlich signiert und gestempelt. Wer sie abgegeben hat verspricht, in Zukunft auf sie zu verzichten und das Ersatzwort zu benutzen, dass ich im Austausch abgebe. Es gibt aber auch Menschen, die behaupten, sie bräuchten ALLE Worte. Nicht das mieseste, gemeinste oder übertriebenste Wort wollen sie hergeben.

Die Stunde Pause, die ich mir vorgenommen hatte, ist völlig illusorisch. Ich habe Mühe auch nur 15 Minuten Freiraum zu erkämpfen, um mein Pausenbrot und meine mitgebrachte Banane zu verzehren. Ich bin am Stempeln, Erklären, Diskutieren, suche nach Ersatzworten. Am Ende des ersten Tages sind alle mitgebrachten Wortkarten und Ersatzworte aufgebraucht.

Noch beim Abbauen meines improvisierten Büros erscheint eine extrem gestresste Dame und ist überglücklich, dass ich ihr noch das Wort „chillmamama“ abnehme, mit dem sie ihr Sohn malträtiere….Sie ist so froh, dass ich mich nicht traue zu sagen, dass dieses Wort zwar jetzt aus ihrem Wortschatz entfernt wurde, aber nicht aus dem ihres Sohnes.